Von Literaturkritikern, Autoren und Wirtschaftskriminellen

Rike  / pixelio.de
Rike / pixelio.de

Seit einigen Tagen machen wilde Diskussionen in einschlägigen Medien und Foren die Runde. Sowohl auf Twitter, wie auch Facebook bekriegen sich ein Autor und eine ganze Truppe von Bloggern. Auslöser des Streits war die negative Rezension einer Bloggerin und die darauf folgende Reaktion des betroffenen Autors. In den Kommentaren zur Rezension von Verlegerin und Autoren fielen sogar Androhungen einer Klage gegen die Verfasserin der Rezension.

Der Autor tritt derweil auf seinem Blog und bei Facebook noch nach und beschmipft die Rezensentin als ungebildet, unprofessionell und unseriös. Dies postete er am 22.01.2012 und 23.01.2012 auf seinem Blog. Dort stellt er alle Literaturblogger als vorpubertäre Wirtschaftskriminelle, die “erpresserische Rezensionen” verfassen, dar.

Nun wurde mir von der Rezensenten-Mafia anonym ein Brief zugestellt den ich meinen Lesern nicht vorenthalten möchte. Der Verfasser möchte nicht erkannt werden, hat aber ein paar wesentliche Eckdaten zu seinem Lebenslauf an den von ihm verfassten Text angehängt.

“Vor der Erfindung des Internets gab es noch gestandene Schriftsteller. Sie taten sich besonders durch Besonnenheit, Fairness, Kritikfähigkeit und Seriosität hervor. Sie schrieben Bücher für ihre Leser, ihre Fans. Sie waren Virtuosen des Wortes, stets respektvoll und nie beleidigend; sie waren Meister im „zwischen den Zeilen lesen“ und hatten allesamt ein fundiertes Germanistikstudium hinter sich. Sie waren einfach professionell und gut, denn sie wussten, dass das Drucken eines Buches, dessen Vertrieb, Marketing etc. viel Geld und Herzblut kostet und am Ende der Leser die Bücher liest und bewertet. Aus diesem Grund haben Verlage früher ihre Autoren sehr sorgfältig ausgewählt.

Heute aber, in Zeiten des Internets, kann jeder Möchtegern-Schriftsteller, der denkt, seine Schreibe würde irgendwen interessieren, etwas veröffentlichen – ob er nun unfreundlich und unseriös ist oder nicht. Er veröffentlicht Texte online, weil er davon ausgeht, dass es nur Menschen gibt, die seiner Meinung sind und jeder sein Buch toll finden MUSS. Oftmals wird dabei fälschlicherweise das Recht der Meinungsäußerung mit Rufmord am eigenen Pseudonym verwechselt.
Keine Frage – 99 % der Autoren heutzutage wissen den Leser und die Meinung des Lesers zu schätzen und würden sich nie erdreisten, eine ganze Gruppe Menschen (Leser! Kunden!) anzugreifen, geschweige denn mit rechtlichen Maßnahmen zu drohen, sollten diese einmal anderer Meinung sein als der Autor.
Leider gibt es Einzelne, die den Beruf und den Ruf der Schriftsteller beschädigen. Eben diese Autoren sind es, die versuchen, mit unfairen und äußerst fraglichen Mitteln negative Meinungen über ihre Werke aus dem ewigen Gedächtnis des Internets zu verbannen. Und weil es scheinbar noch nicht reicht, mit fragwürdigen Paragrafen zu drohen, setzt man eben noch eins drauf und greift andere Menschen auf persönlicher Ebene und unterhalb der Gürtellinie an.

So kommt es, dass heute so mancher, der denkt, er hätte irgendwann mal lesen und schreiben gelernt, diese unglaublichen Diffamierungen und Verallgemeinerungen als Kritik an einer Literaturkritik und an einer ganzen Masse von nicht studierten Kritikern ins Netz stellt, frei nach dem Motto: Wenn mich eh schon keiner mag, kann ich ja auch die restlichen potenziellen Kunden vergraulen.

An dieser Stelle: Buchblogger sind Leser, auf deren Meinung mittlerweile großen Wert gelegt wird. Viele Verlage und auch Autoren haben das schon erkannt und behandeln sie mit dem gleichen Respekt, der auch anderen Medienvertretern und Journalisten entgegen gebracht wird. Sicherlich gibt es gute und weniger gute Blogger, aber jeder hat das Recht, seine Meinung jederzeit und jedem mitzuteilen. Sogar der größte Verriss kann entscheidende Ansätze zur Weiterentwicklung eines Autors beinhalten – solange der Rezensent immer fair rezensiert und niemanden persönlich angreift, ist das völlig in Ordnung.

So geschehen im Dezember 2011. Da googelt der mäßig erfolgreiche Autor, wie jeden Tag, nach seinen Büchern, um wenigstens eine einzige echte Rezension zu seinem Werk zu finden, die die von ihm selbst oder im Auftrag bei Amazon verfassten bestätigen würde. Doch was er findet, erschüttert sein Weltbild in bisher unvorstellbarem Ausmaß. Eine Bloggerin liest zwar sein Buch, aber es sagt ihr überhaupt nicht zu. Nach 90 Seiten, ohne eine einzige Seite übersprungen zu haben, legt sie das Buch zur Seite. Sie wird mit dem Stoff einfach nicht warm, mag den Schreibstil nicht, erkennt zu viele Widersprüche und bricht das Buch deshalb ab. Sie schreibt dies ihren Lesern, wobei sie eindeutig darauf hinweist, dass sie das Buch nicht zu Ende gelesen hat. Da sie nur ein Zehntel des „Ziegelsteins“ gelesen hat, kann sie dafür auch kein abschließendes Urteil abgeben. Der Autor ist fassungslos. Sein Buch, sein Werk, seine hohe literarische Kunst, geradezu in der Luft zerrissen von einer vorpubertären 23jährigen! Dabei war es erst ihre 90. Rezension und sie hat nicht einmal studiert!

Also macht der Autor seinem Ärger Luft und postet als Erster einen Kommentar unter die verfasste Rezension. Nun wartet er, dass die Verfasserin ihre Rezension in seinem Sinne umdichtet und das Werk über den grünen Klee lobt. Aber nichts passiert. Der schlaue Autor denkt sich, wenn er mit einer Klage droht, wird die Verfasserin ihm schon fünf Sterne bei Amazon geben, wodurch ihm der internationale Durchbruch in der gehobenen Literaturszene gelingt, die Filmrechte an Hollywood gehen und er sich ein schickes Häuschen auf den Malediven leisten kann, mit vielen Jungfrauen und reichlich Wein. Doch wieder rührt sich die Verfasserin nicht. Also legt der Autor nach. Er läuft zu Mami und petzt, dass da doch tatsächlich ein kleines Gör im großen Internet eine Meinung hat, die ihm nicht in den Kram passt. Er stiftet sie also dazu an, ebenfalls einen Kommentar unter die Rezension zu setzen. Etwas freundlicher, ausführlicher und in weniger aufgebrachtem Ton, wie Mütter eben sind, versucht sie, die böse Verfasserin dieses geschäftsschädigenden und an Wirtschaftskriminalität grenzenden Beitrags dazu zu bringen, den Boykott gegen ihren Autor und ihren Verlages mit sofortiger Wirkung in positives virales Marketing umzuwandeln. Denn das Grundgesetz gibt niemandem das Recht, ein so gutes schriftstellerisches Werk dermaßen durch den Kakao zu ziehen. Der Verfasserin wird sogar vorgeschrieben, in welche Kategorie ihres Blogs sie denn die positiv zu verfassende (selbstverständlich unentgeltliche!) Kritik einzustellen habe. Doch wieder passiert nichts. Ganz im Gegenteil sogar. Plötzlich erdreisten sich noch mehr vorpubertäre Minderjährige im Alter zwischen 20 und 50, die Rezension zu kommentieren und ihr ihre Zustimmung auszusprechen.
Doch der Autor hat noch eine Idee. Er will die Verfasserin mit ihren eigenen Mitteln schlagen – mithilfe des Internets. Also postet er auf Facebook und seinem Blog, beschimpft, mutmaßt, schlägt unter die Gürtellinie und schließt dabei Hunderte und Aberhunderte für positive Rezensionen bezahlten Wirtschaftskriminellen (aka Literaturblogger) in seine Beschimpfungen mit ein. Geradezu erpresserisch seien viele Rezensenten. Das geht natürlich nicht und so werden nun die Justiz und der Börsenverein des deutschen Buchhandels eingeschaltet. Na, dann zieht euch warm an!

Nachtrag:
Dieser unseriöse, unprofessionelle und beleidigende Autor weiß scheinbar nicht, dass viele Leser jedes Jahr Unmengen an Geld ausgeben (alleine in Österreich wurden 2011 über 470 Mio. Euro für Bücher ausgegeben. Mit einem Anteil von 33 % ist Belletristik dabei an erster Stelle – Quelle: „Der Buchmarkt in Österreich“, Hauptverband des Österreichischen Buchhandels 2011, http://www.buchwien.at/rte/upload/buch_wien_11/presse/pressemappe_neu/buchwirtschaft_in_sterreich_2011_oktober_end.doc), nur um wenige ausgewählte Bücher zu lesen, in der Hoffnung, ein wenig Unterhaltung zu erfahren.”

Über den Verfasser dieses Textes:
Der Verfasser dieses Textes hat unzählige Pseudonyme und möchte aufgrund der Klagewut diverser Verlage und Autoren anonym bleiben.
Er wurde 1980 in einem kleinen Kuhkaff in Deutschland geboren und stand mit Bildung von Geburt an auf Kriegsfuß. Heute hat er nach mehreren Anläufen seinen Grundschulabschluss geschafft und ist hauptberuflicher Arbeitsloser. Mit seinen vorpubertären 32 Jahren ist er ein völlig unbekannter und unerfahrener Buchblogger, der täglich nicht mehr als drei Klicks auf seinem Blog zu verzeichnen hat. Oftmals loggt er sich mit seinem zweiten Facebook-Account ein, um wenigstens ein „Like“ auf seine Rezensionen zu erhalten.

Seit Anfang 2011 hat er sich dem geheimen Bund der erpresserischen Rezensenten (auch bekannt als Literaturblogger) angeschlossen. Um die Strafverfolgung zu erschweren, flüchtete er nach Österreich, wo er nun in einer großzügigen Villa in den Bergen Tirols lebt. Finanziert wird sein ausufernder, luxuriöser und verschwenderischer Lebensstil von den vielen Verlagen und Autoren, die ihn für positive Rezensionen bezahlen. So konnte er sich innerhalb eines Jahres nicht nur eine stattliche Autosammlung zulegen, sondern nennt auch einen Privatjet, eine Yacht und einen Hubschrauber sein Eigen. 2012 plant er, ein weiteres Anwesen in einem Land ohne Auslieferungsabkommen zu erwerben, um sein Rezensionsimperium weiter auszubauen.

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